Synthesefaserliner, der hält und hält und hält!

Dürener Synthesefaserliner nach 24 Jahren Betrieb durch das unabhängige Prüflabor Siebert+Knipschild GmbH "auf Herz und Nieren geprüft".

Vor 24 Jahren sanierte die Stadt Düren in der Euskirchener Straße zwei über 100 Jahre alte Kanäle – einen Beton-Regenwasserkanal mit Eiquerschnitt 400/600 Millimeter und einen Schmutzwasserkanal aus Steinzeug DN 300. Bei der Sanierung kamen damals Synthesefaserliner zum Einsatz, die heute unter dem Namen PAA-SF-Liner auf dem Markt bekannt sind. Im Zuge der Digitalisierung ihres Kanalnetzes führte die Stadtentwässerung Düren eine umfassende hydraulische Neuberechnung durch, mit dem Ergebnis, dass zur Entlastung des innerörtlichen Wasserlaufs Mühlenteich das Stauraumvolumen innerhalb des Kanalnetzes an einigen Stellen sukzessive vergrößert werden muss. Eine dieser Erweiterungen wird in der Euskirchener Straße umgesetzt. Hier müssen die 1998 sanierten Kanäle partiell einem neuen Stauraumkanal weichen. Damit bot sich für die Aarsleff Rohrsanierung GmbH die Gelegenheit, Proben aus den damals inversierten Synthesefaserlinern zu entnehmen und diese durch das Prüflabor Siebert+Knipschild GmbH, Oststeinbek, auf Herz und Nieren prüfen zu lassen. Dabei zeigte sich, dass die Materialeigenschaften und Kennwerte beider Liner nach rund einem Vierteljahrhundert unverändert waren und denen zum Zeitpunkt des Einbaus entsprachen.

Dieses Ergebnis ist kein Einzelfall, sondern bestätigt an anderen Linern durchgeführte Untersuchungen: So wurden bereits Synthesefaserliner aus London, Hamburg und Frankfurt nach unterschiedlichen Zeitspannen von fünf bis 30 Jahren teilweise auch mehrfach geprüft. Allen Analysen ist gemein, dass im Zusammenspiel von Produkt- und Einbauqualität Langlebigkeit, Güte und Zuverlässigkeit von Synthesefaserlinern nachweislich gegeben sind.

Neue Voraussetzungen

Als Ende der 1990er Jahre der Schmutz- und der Regenwasserkanal in der Euskirchener Straße mit Hilfe des Schlauchliningverfahrens saniert wurden, sollte damit mindestens für die nächsten 50 Jahre die Ableitung der Abwässer gesichert sein. Beide Kanäle wiesen damals unterschiedliche Schäden auf, die mit den Synthesefaserlinern beseitigt werden konnten. Im Laufe der letzten 24 Jahre zeigte sich nun jedoch, dass häufiger auftretende Starkregenereignisse den durch Düren fließenden Bach Mühlenteich immer wieder an seine Kapazitätsgrenze brachten. Hydraulische Untersuchungen der Kanalisation ergaben, dass mehr Stauraumvolumen für die Regenrückhaltung benötigt wird. Eine lang geplante verkehrstechnische Umbaumaßnahme der Euskirchener Straße wurde seitens der Stadtentwässerung genutzt, in offener Bauweise an dieser Stelle einen Stauraumkanal zu errichten. „Daher mussten die alten Kanäle in dem Bereich weichen, obwohl sie auch 24 Jahre nach der Schlauchlinersanierung schadensfrei und noch voll funktionstüchtig waren“, erläutert Dipl.-Ing. Joachim Urbanek, Stadtentwässerung Düren.

Auf diese Weise ergab sich laut Dipl.-Ing. Jürgen Zinnecker, Aarsleff Qualitätsbeauftragter – Technik Synthesefaserliner, die Gelegenheit, Proben der Synthesefaserliner zu entnehmen und diese von einem unabhängigen, akkreditierten Prüflabor untersuchen zu lassen. „Die Synthesefaserliner, die vor 24 Jahren in Düren eingebaut wurden, entsprechen unseren heutigen Aarsleff PAA-SF-Linern. Inspiriert von dem ersten Liner, der in London 1971 eingesetzt wurde, baute die dänische Firma Per Aarsleff 1979 ihren ersten Liner in Holstebro, Dänemark, ein und hat seitdem die Produkt- und Materialentwicklung stetig weitergeführt. 1998 war Per Aarsleff bereits zu einem Drittel an der damaligen Sanierungsfirma – unserem Vorgänger – beteiligt“, erklärt Zinnecker die Historie. Seit 2013 ist Aarsleff Rohrsanierung eine Einhundertprozent-Tochter des dänischen Unternehmens. Und weiter: „Die Qualitäts- und die Strukturentwicklung der Liner – sowohl damals als auch heute – erfolgt im Aarsleff-Mutterkonzern. Dabei ist ein Großteil der Mitarbeiter von damals auch heute noch an der Linerfertigung beteiligt. Zusammen mit der hochwertigen technischen Ausrüstung sorgt dies für eine gleichbleibende erstklassige Produktgüte.“

Recherchearbeit zu Beginn

Bevor die beiden Probenstücke aus Düren näher untersucht werden konnten, stand für B. Eng. Hannes Goldenstein vom Prüflabor Siebert+Knipschild zunächst der Gang ins Archiv an. Goldenstein: „Die beiden Liner wurden 1998 eingebaut und um nun eine Aussage darüber treffen zu können, ob und wie sich die Kennwerte im Laufe der Jahre verändert haben, mussten wir zunächst recherchieren, was laut den damals gültigen Regelwerken gefordert war. Dabei interessierte uns die Frage, welche Eigenschaften das Material zum Einbauzeitpunkt aufweisen musste und wie die Tests im Detail aufgebaut waren, mit denen diese Materialeigenschaften damals geprüft wurden. Kurzum: Wir benötigten Vergleichswerte.“ Und diese bekamen die Prüfer aus Oststeinbek auch aus dem Aarsleff-Archiv. Dort war noch die Verfahrensanleitung mit den technischen Spezifikationen der Synthesefaserliner aus dem Jahr 1998 vorhanden. „Diese bildeten auch die Grundlage für die erste bauaufsichtliche Zulassung eines Liners in Deutschland durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) im Jahr 1999“, führt Zinnecker weiter aus.

So gut wie neu!

Für die Untersuchungen wurden die beiden Linerstücke zunächst ausführlich fotodokumentiert, gereinigt und visuell begutachtet. Dabei zeigte sich bereits, dass beide Liner keinen signifikanten Abrieb aufwiesen. „Beim Säubern der Innenfläche ist uns aufgefallen, dass die fertigungsbedingt im PE-Coating existierenden oberflächlichen Poren immer noch erkennbar sind und nicht während des Betriebes verschlissen wurden. Damit ist im Prinzip noch der Original-Einbauzustand vorhanden“, so Goldenstein. Eine genauere mikroskopische Betrachtung zeigte auch keine Verfärbungen, Eintrübungen oder Rissbildung, die auf eine chemische Veränderung des homogen aufgebauten Coatings hinweisen würden. Dessen gemessene Dicken betrugen bei beiden Linern zwischen 0,2 und 0,4 Millimetern, wobei das Coating in allen untersuchten Bereichen vollständig am Schlauchliner anlag. Ebenfalls mikroskopisch betrachtet wurden Wandaufbau sowie Wanddicken der Linerproben. Auch hier zeigten sich in den untersuchten Bereichen jeweils ein gleichmäßiger, homogener Wandaufbau mit einer durchschnittlichen Wanddicke von 8,76 Millimeter (Kreisprofil) bzw. 9,1 Millimeter (Eiprofil).

Alle Werte im Normbereich

Neben den optischen und mikroskopischen Untersuchungen wurden die Probenstücke auch auf ihre mechanischen Eigenschaften geprüft. Dabei erfolgte die Bestimmung der Biegespannung und die Ermittlung des Biege-E-Moduls über den Dreipunkt-Biegeversuch. Um die ermittelten Werte mit den Angaben aus dem Jahr 1998 vergleichen und damit eine Aussage über den Zustand der Liner treffen zu können, wurden die Versuche auf Grundlage der damals gültigen Normen DIN EN ISO 178:1997-02 in Verbindung mit DIN EN 13566-4 durchgeführt. In einem weiteren Schritt erbrachten die Mitarbeiter von Siebert+Knipschild in Anlehnung an DIN EN 1610:2016-09 den Nachweis der Wasserdichtheit des Laminats und ermittelten den Wert für die Kriechneigung über 24 Stunden. Ein weiterer Materialkennwert, der zum Zeitpunkt des Einbaus als Kriterium zur Qualitätsbeurteilung diente, war die Dichte des Materials. „Dieser Kennwert wurde herangezogen, um eine Aussage darüber treffen zu können, ob und inwieweit der Liner beim Einbau verdichtet wurde bzw. ob sich beispielsweise während des Aufstellens und Härtens Luftblasen gebildet haben“, erklärt Goldenstein. Beides würde sich in einer Änderung der Dichte zeigen. Doch auch hier lagen die Testergebnisse im angegebenen Toleranzbereich.

Minimaler Reststyrolgehalt

Eine Frage, die immer wieder im Zusammenhang mit dem Einbau von Schlauchlinern gestellt wird, ist die nach der vollständigen Durchhärtung. Als Indikator hierfür dient der Reststyrolgehalt. Je geringer dieser ist, um so weniger freie Restmonomere sind innerhalb des Liners vorhanden und umso mehr ist der Liner durchgehärtet. Im technischen Sinne ist die Härtung eines Liners erfolgreich, wenn der Reststyrolgehalt unter zwei Prozent liegt. Bei den beiden Dürener Linern konnte mit Hilfe des Gaschromatographischen Verfahrens ein Reststyrolgehalt von jeweils 0,1 Prozent festgestellt werden, der somit weit unterhalb des maximalen Grenzwertes liegt. „Das spricht für das qualitativ hochwertige Material und für die Einbauqualität“, so Zinnecker. Eine Fourier-Transform-Infrarot-Spektralanalyse (FT-IR-Spektralanalyse) bestätigte darüber hinaus, dass das angegebene Reaktionsharz (UP-Harz) in dem Liner damals auch verwendet worden ist.

Tabelle: Zusammenfassung der Prüfungsergebnisse [Quelle: Siebert+Knipschild/Aarsleff]

Sollwerte gemäß DIBt-Zulassung Z.42.3-305 (1999) bzw. Herstellerangaben

Prüfergebnisse der Linerproben

Eiprofil 400/600

Kreisprofil DN 300

Kurzzeit Biege-E-Modul Ef[N/mm2]

2.800

4.818

3.508

Kurzzeitbiegespannung sfb [N/mm2]

36

46,6

40,8

Kriechneigung Kn,24h [%]

£ 13,0

7,0

7,8

Dichte r [g/cm3]

1,35 ± 0,25

1,2263

1,2674

Reststyrolgehalt

< 2 %

0,1

0,1

 

London, Hamburg, Frankfurt a.M., Düren: Synthesefaserliner überzeugen überall

Insgesamt betrachtet ist keine Abminderung der untersuchten Daten gegenüber den Ausgangswerten erkennbar. Alle Anforderungen, die zum Einbauzeitpunkt an die Liner gestellt wurden, wurden auch nach 24 Jahren Betriebsdauer erfüllt. „Die Materialkennwerte sind heute wie am ersten Tag“, zieht Zinnecker das Fazit. „Damit konnten wir erneut nachweisen, dass unsere Liner qualitativ hochwertig sind und fachgerecht eingebaut wurden. Das Ergebnis ist eine weitere Bestätigung anderer vergleichbarer Untersuchungen, in denen das Langzeitverhalten gehärteter Schlauchliner geprüft wurde.“ So wurde der 1971 im Londoner Stadtteil Hackney eingebaute Liner allein dreimal – nach 20, 25 und 30 Jahren – untersucht. 2007 ließ Hamburg Wasser einen 1983 in der Holzmühlenstraße, Hamburg, verbauten Liner nach gut 25 Jahren beproben. In Frankfurt am Main wurden 1990 im Rahmen eines Baustellenvergleichs auf zwei Sanierungsstrecken Schlauchliningverfahren mit Warm- und Lichthärtung eingesetzt. Dieser Einbau wurde seitens des Fachgebietes Siedlungswasserwirtschaft der TU Berlin wissenschaftlich begleitet. Direkt nach dem Einbau sowie einer Betriebsdauer von fünf Jahren wurden dort ebenfalls Proben entnommen und die ermittelten Kennwerte auf eine Nutzungsdauer von 50 Jahren extrapoliert. Dabei zeigte sich, dass der Berechnungsansatz, der 1996 für die Berechnung der Langzeit-Kennwerte verwendet wurde, im Vergleich mit den extrapolierten Werten einen eher konservativen Ansatz darstellte.

Tabelle: Zusammenfassung der Prüfungsergebnisse aus London, Hamburg und Frankfurt am Main [Quelle: Aarsleff]

Kennwerte

London

Hamburg

Frankfurt am Main

1971 1)

1991 2)

1997 3)

2001 4)

1983 5)

2007 6)

1990 7)

1995 7)

Extra-poliert 7)

Berechnungs-ansatz 5)

Vorgabe

20 Jahre

25 Jahre

30 Jahre

Vorgabe

25 Jahre

1 h

5 Jahre

50 Jahre

Langzeit-Werte

Biegefestigkeit [N/mm2]

25

46

43

39

34

47,8

57,9

48,1

56,5

18

43

38,2

47

34,4

Biege-E-Modul [N/mm2]

2.200

2.900

2.930

3.100

2.200

3.120

5.754

3.631

2.645

1.300

3.500

2.378

3.300

2.300

Wanddicke [mm]

9

6,3

5,22

5

7,5

6,46

10,3

11,1

-

9

Quellen:
1) WIS 4-34-04 Standard April 1986: Issue 1 “Specification for Polyester Insituform Sewer Linings”
2) MTS Pendar,
3) IB Rolf Siebert
4) Bodycote
5) Vorgabe Hersteller
6) IB Siebert + Knippschild
7) TU Berlin, Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft

Auch Urbanek war von dem Ergebnis der Untersuchungen in Düren nicht überrascht: „Wir haben über die Jahre durchweg gute Erfahrungen bei Linersanierungen mit Aarsleff gemacht. Zum einen ist das System ausgereift und zum anderen sind die Teams kompetent und gut geschult. Da merkt man, dass sich die Mitarbeiter mit ihrer Firma identifizieren und voll hinter dem Produkt und ihrer Arbeit stehen. Wenn wir nicht aus hydraulischen Gründen den Stauraumkanal an dieser Stelle errichten würden, wären die Kanäle auch weiterhin in Betrieb.“

Doch welche weiteren Erkenntnisse können aus den Untersuchungsergebnissen gezogen werden? Zinnecker: „Aktuell wird die Nutzungsdauer von mit Schlauchlinern sanierten Kanälen mit 50 Jahren angegeben. Über diesen Zeitraum kann auch die Abschreibung erfolgen. Wenn nun aber nach 24 Jahren der Liner keinerlei Abnutzung oder Veränderung in den mechanischen Kennwerten zeigt, stellt sich die Frage, wie zeitgemäß diese Annahme heute noch ist. Bereits seit längerem wird daher in der Fachwelt diskutiert, die Nutzungsdauer auf 70 oder 80 Jahre zu erhöhen und damit den Zeitraum der Abschreibung zu vergrößern. Dies sollte auf Grundlage der vorhandenen Langzeiterfahrungen mit entsprechend gehärteten Schlauchlinern aktiv angegangen werden.“

Zweitens untermauern die Untersuchungen aber noch eine weitere wichtige Erfahrung: Während in den letzten Jahren die Renovierungsverfahren stetig weiterentwickelt worden sind und moderne Materialien und Härtungsverfahren beim Schlauchlining zur Verfügung stehen und auch eingesetzt werden, zeigt der gute ‚alte‘ Synthesefaserliner seine Beständigkeit. „Synthesefaserliner, wie sie in Düren eingesetzt worden sind, stehen in ihren Eigenschaften und ihrer Langlebigkeit den Glasfaserlinern in nichts nach. Beide Linerarten haben ihre Daseinsberechtigung am Markt. Je nach vorliegenden Randbedingungen ist entweder das eine oder das andere Material adäquates Mittel der Wahl, um den gewünschten Sanierungserfolg zu erreichen. Deshalb bieten wir schon seit 2008 auch Glasfaserliner an“, so Zinnecker.